Was ist Flow und wie fühlt er sich an?

Gibt es Momente in Ihrem Leben, in denen die Arbeit so richtig viel Spaß gemacht hat? Sie sind dann voller Energie und Tatendrang, versinken völlig in dem, was Sie gerade tun. Ärger über Kollegen, Mitarbeiter oder Vorgesetzte? Keine Spur. Und auf dem Heimweg fühlen Sie sich kein bisschen müde und ausgelaugt, sondern frisch, zufrieden und glücklich. Diesen Zustand der mühelosen Konzentration auf eine Aufgabe, das Versinken darin, nennt man Flow.

Frau meditiert an einem See

Das Flow-Erlebnis nach Mihály Csíkszentmihályi

Der aus Ungarn stammende Psychologe Mihály Csíkszentmihályi entwickelte die Flow-Theorie in seinem 1975 erschienenen Buch „Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile im Tun aufgehen“.

Damit hat er den Begriff „Flow“ populär gemacht. Abgeleitet vom englischen „to flow“, also fließen oder strömen, beschreibt der Flow Phasen, in denen „es total rund läuft“ und einem die Dinge „wie von selbst von der Hand gehen“. Die Bezeichnung „Flow-Zustand“ ist treffend, denn „Flow“ ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch ein bestimmter Modus des Erlebens und der (Selbst-)Wahrnehmung.

Was uns am Flow-Zustand hindert

Was steht diesem „fließenden Zustand“ eigentlich im Wege? Im Wesentlichen zwei Dinge: Überforderung und Unterforderung. Beides ist ungünstig, vor allem dann, wenn dieses Zuviel bzw. Zuwenig chronisch ist. Überhäuft Sie Ihr Vorgesetzter mit Aufgaben, die für einen alleine nicht zu schaffen sind, werden Sie verzweifeln, frustriert sein und Versagensängste haben. Langfristig entwickeln Sie möglicherweise sogar eine Depression („Burn-out-Syndrom“).

Wer hingegen viel zu wenig Arbeit hat, um in der Woche eine gesunde Auslastung zu erreichen, wird konstant unterfordert sein und sich extrem langweilen. Auch dies kann im wahrsten Sinne des Wortes krankmachen: Es gibt auch das „Boreout-Syndrom“. Immerhin elf Prozent der Werktätigen in Deutschland nennen in Umfragen eine chronische Unterforderung und leiden unter Langeweile im Büro. Wer sich chronisch über- bzw. unterfordert fühlt, wird kaum in den Flow geraten.

Intrinsische Motivation begünstigt den Flow

Wie kann man den Flow-Zustand erreichen? Eine wichtige Voraussetzung ist intrinsische Motivation. Wer intrinsisch motiviert ist, erledigt eine Aufgabe um ihrer selbst Willen und aus eigenem Antrieb. Extrinsische Motivation wird im Gegensatz dazu durch äußere Faktoren wie Belohnung oder Strafe gesteuert. Nach Csíkszentmihályi ist die intrinsische Motivation dann am größten, wenn genau das richtige Maß zwischen Über- und Unterforderung erreicht wird.


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Die acht Faktoren des Flow

Csíkszentmihályi nennt acht Aspekte, die kennzeichnend für den Flow-Zustand sind:

1. Klarheit der Ziele und unmittelbare Rückmeldungen

Insbesondere beim Sport stehen Regeln und Ziele genau fest. Sportler erhalten zudem schnelle Rückmeldungen über Erfolg oder Misserfolg: Beim Basketball etwa steht nach Ablauf der Spielzeit fest, wer gewonnen und wer verloren hat. Übertragen auf das Berufsleben sollten Sie vor und während einer Aufgabe mit Ihren Kollegen und Vorgesetzten besprechen, welche Ziele Sie erreichen wollen. Tauschen Sie sich regelmäßig darüber aus.

2. Hohe Konzentration auf ein begrenztes Feld

Wer sich gedanklich mit der nächsten Teamsitzung oder der Konferenz in der kommenden Woche beschäftigt, an privaten Ärger denkt oder sich von Nachrichten ablenken lässt, kommt wohl kaum in den Flow. Wer hingegen tief eintaucht und voll in der momentanen Tätigkeit aufgeht, kann diesen Zustand des Fließens erreichen.

3. Das Verhältnis zwischen Anforderungen und Fähigkeiten

Entscheidend für das Flow-Erlebnis ist das optimale Maß zwischen den Fähigkeiten einer Person und den Anforderungen, die eine Aufgabe mit sich bringt. Ist die Aufgabe zu schwierig, sind Sie vermutlich ängstlich, nervös, angespannt und frustriert. Bei einem zu leichten Projekt oder vielen Routine-Aufgaben stellt sich schnell Langeweile ein. Wie bereits erwähnt, sind Über- und Unterforderung die ärgsten Feinde des Flow.

4. Das Gefühl von Kontrolle

Kontrolle beim Flow-Erlebnis bedeutet nicht, dass Sie die Situation komplett „beherrschen“. Mit Kontrolle ist in diesem Fall das Gefühl gemeint, dass sie sich völlig gelöst und angstfrei fühlen.

5. Die Mühelosigkeit des Handlungsablaufs

Zentraler Bestandteil des Flow-Zustands ist, dass Ihnen Ihre Aufgabe mühelos gelingt, dass „alles fließt“. Für Außenstehende kann die Anstrengung durchaus sichtbar sein. Innerlich kommt Ihnen die Tätigkeit aber ganz leicht vor. Das kann zum Beispiel beim Joggen der Fall sein: Sie werden dabei zwar schwitzen, aber für Sie fühlt sich die gleichmäßige Bewegung vielleicht an, als hätten Sie nie etwas anderes getan.

6. Die Veränderung des Zeiterlebens

Im Flow-Zustand haben Sie eine veränderte Zeitwahrnehmung: Die Zeit scheint entweder wie im Flug zu vergehen oder sie dehnt sich aus. Csíkszentmihályi nennt den Flow-Zustand daher auch „zeitfrei“.

7. Das Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein

Normalerweise nehmen wir uns selbst und das, was wir tun, als zwei verschiedene Dinge wahr. Im Flow-Zustand werden Person und Handlung eins. Beim Spielen eines Musikinstruments kann dies ebenso vorkommen wie bei Wanderungen durch die Natur – oder eben bei der Arbeit am Schreibtisch.

8. Die autotelische Qualität der Flow-Erfahrung: IROI

Wer im Flow-Zustand ist, kümmert sich nicht in erster Linie um das Ergebnis seiner Tätigkeit. Die Arbeit selbst ist das Ziel der Handlung. Im Altgriechischen bedeutet „auto“ selbst, „telos“ ist das Ziel. Modern ausgedrückt ist die Handlung im Flow-Zustand der „Immediate Return on Investment“.

Mit den folgenden Tipps kommen Sie richtig in Flow

Wer schon einmal ein Flow-Erlebnis hatte, dem mag dieser Zustand zufällig vorgekommen sein. Doch es ist auch möglich, den Flow-Zustand zu begünstigen. Dabei können Ihnen die folgenden Tipps helfen:

1. Sinn in Aufgaben entdecken

Für viele Menschen ist es sehr motivierend, wenn sie einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Manchmal erschließt sich der Sinn einer einzelnen Aufgabe nicht auf Anhieb. Daher die Empfehlung, sich selbst die Frage nach dem Sinn zu stellen.

Wenn Sie zum Beispiel eine auf den ersten Blick öde Excel-Tabelle bearbeiten, könnte der Sinn dahinter sein, dass sie mit den Daten eine wichtige Grundlage für den Erfolg Ihres Projekts schaffen. Behalten Sie dieses übergeordnete Ziel im Blick, dann wirken die mit Zahlen gefüllten Zeilen und Spalten vielleicht gar nicht mehr so trocken, wie Sie eben noch dachten.

2. Die passende Arbeitsumgebung

Wichtig für konzentriertes Arbeiten ist außerdem Ihre Arbeitsumgebung. Ob Sie lieber alleine an einem nach allen Regeln des Feng-Shui aufgeräumten Schreibtisch sitzen oder in einem wuseligen Großraumbüro, ist von Mensch zu Mensch verschieden.

Können Sie Ihren Arbeitsplatz nur bedingt selbst gestalten, sprechen Sie ruhig Ihren Vorgesetzten darauf an. Vielleicht findet sich ja doch eine Lösung. Und manchmal wirken auch kleine Veränderungen wie Pflanzen oder Noise-Cancelling-Kopfhörer wahre Wunder.

3. Arbeitsblöcke festlegen

Ablenkungen lassen sich leichter vermeiden, wenn Sie Phasen festlegen, in denen Sie sich voll und ganz auf eine einzige Aufgabe konzentrieren. Stellen Sie zum Beispiel einen (idealerweise analogen) Timer auf 30 Minuten – und in dieser Zeit sind private Nachrichten, E-Mails und soziale Netzwerke tabu! Wenn eine Kollegin oder ein Anruf Sie ablenkt, beginnen Sie die Arbeitsphase von neuem.

Nach jedem Arbeitsblock gönnen Sie sich eine kurze Pause, in der Sie sich bewegen und kurz lockern.

4. Große Aufgaben in kleinere Schritte zerlegen

Wer an einem wichtigen Projekt arbeitet und die ganze Zeit über ausschließlich auf das große Ganze fokussiert ist, der wird sich mit höherer Wahrscheinlichkeit von der Aufgabe überfordert fühlen. Bergsteiger erklimmen den Gipfel schließlich auch nicht in Einem, sondern legen Zwischenziele fest und Pausen ein.

Laut Csíkszentmihályi ist Projektarbeit übrigens sehr gut für Flow-Erlebnisse geeignet, da sich die Arbeit in viele kleinere Schritte zerlegen lässt.

5. Regelmäßiges Feedback einholen

Um das Gefühl der Über- und Unterforderung zu vermeiden, ist regelmäßige Rückmeldung von Kollegen oder Ihrem Vorgesetzten hilfreich. Ideal ist es, wenn dafür kurze Besprechungen vorgesehen sind.

Für das Feedback sind Meetings mit Endlos-Diskussionen über Gott und die Welt gar nicht erforderlich. Auch in Stehkonferenzen von 15 Minuten können Sie alles Notwendige besprechen.

Wiederkehrendes Feedback hat den Vorteil, dass Sie, Ihre Teammitglieder und Chefs auf dem gleichen Stand sind. Außerdem können Sie Probleme mit einem schwierigen Kunden oder bei wichtigen Prozessen frühzeitig ansprechen. So vermeiden Sie es, wochenlang Ihre Sorgen mit sich herumzutragen.

Flow lässt sich nicht erzwingen – aber begünstigen

Da sich Flow-Erlebnisse nicht restlos kontrollieren lassen, ist es nicht sinnvoll, verbissen auf diesen fließenden Modus hinzuarbeiten. Aber Sie selbst können einiges dafür tun, um den Flow-Zustand zu erreichen.

Auch wenn das nicht auf Anhieb klappen mag und etwas Übung erfordert: Mit unseren Tipps arbeiten Sie konzentrierter, effizienter und weniger angestrengt. Und das ist doch auch was – ob mit oder ohne Flow.

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