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Work-Life-Balance: Mehr Gleichgewicht im Büro

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Berlitz

Wie gelingt das perfekte Verhältnis zwischen Job und Privatleben? Bei der Antwort auf diese Frage hat sich bei Unternehmen in den vergangenen Jahren zwar viel getan. Doch die Diskussion bleibt aktuell: Viele Menschen fühlen sich nach wie vor zerrieben zwischen Wettbewerbsdruck und dem Wunsch nach mehr Flexibilität. Was hilft Arbeitnehmern wirklich? Und wovon profitieren auch Unternehmen? Wir stellen Maßnahmen für eine bessere Work-Life-Balance vor und geben konkrete Tipps, die Firmen mit wenig Aufwand umsetzen können.

Überraschender Work-Life-Balance-Pionier

Kaum zu glauben, aber Tatsache: Einer der deutschen Vorreiter in puncto Work-Life-Balance gehört zur eher konservativen Finanzbranche. Die Commerzbank pflegt bereits seit den späten 1980er Jahren eine familienfreundliche Unternehmenskultur: Sie macht ihren Mitarbeitern den Wiedereinstieg nach der Elternzeit besonders einfach und bietet viele verschiedene flexible Arbeits- und Zeitmodelle sowie Kinderbetreuung.

Inzwischen sehen nicht nur große Konzerne, sondern auch immer mehr kleine und mittlere Betriebe die Work-Life-Balance als wichtige Aufgabe der Unternehmensführung an. 84 Prozent der Top-1000-Unternehmen haben eine entsprechende Strategie. Bei den mittelständischen Unternehmen sind es mit 63,5 % immerhin mehr als die Hälfte. Doch selbst wenn es einen Maßnahmenkatalog gibt, hakt es mitunter bei der konkreten Umsetzung. Im Folgenden haben wir einige Beispiele zur Inspiration zusammengestellt.

4 Work-Life-Balance-Ideen, über die es sich nachzudenken lohnt

1. Konsequent: keine E-Mails im Urlaub

Die ständige Erreichbarkeit per Laptop und Smartphone ist praktisch und macht Arbeitnehmer potenziell unabhängiger vom festen Arbeitsplatz. Die Kehrseite: Der Blick aufs Display nach Feierabend oder am Wochenende ist allzu verlockend, viele Menschen fühlen sich dadurch stark gestresst und unter Druck gesetzt. Im schlimmsten Fall führt die Verfügbarkeit rund um die Uhr zu chronischer Erschöpfung und Burn-out. Auch Unternehmen entstehen dadurch große Nachteile.

Der Stuttgarter Automobilkonzern Daimler hat deshalb ein eigenes Tool entwickelt: „Mail on Holiday“ löscht während der freien Zeit der Mitarbeiter automatisch alle E-Mails. Der Absender erhält eine entsprechende Benachrichtigung und bekommt eine Vertretung genannt. Für die beurlaubten Beschäftigten ist dies eine große Entlastung: Schließlich kann allein der Gedanke an das schier überquellende E-Mail-Postfach regelmäßig für eine Laune wie bei zwei Wochen Regenwetter sorgen.

Damit der Urlaub wirklich erholsam wird, braucht es nicht gleich ein eigenes Tool. Eine konsequente E-Mail-Regelung lässt sich auch anders umsetzen. Zum Beispiel mit der Vorgabe, eine Abwesenheitsnotiz einzurichten und alle E-Mails, die während der Ferien eingegangen sind, gleich am ersten Tag im Büro zu löschen. Auch Unternehmen wie Volkswagen, die Deutsche Telekom, Bayer oder Puma haben bereits entsprechende Regeln für E-Mails am Wochenende und nach Feierabend eingeführt.

2. Mutig: Mitarbeiter über Urlaub selbst entscheiden lassen

Das Silicon Valley ist nicht nur Vorreiter in Sachen Technologie, sondern bringt immer wieder auch im Personalmanagement kreative Ansätze hervor. Neben Google macht vor allem der Streaming-Anbieter Netflix von sich reden. Dessen ehemalige Personalchefin Patty McCord veröffentlichte 2009 eine Anleitung für Führungskräfte – mit ziemlich radikalen Ideen. Als erste Maßnahme zur Verbesserung der Work-Life-Balance schaffte das Unternehmen die Urlaubsregelung ab. Von da an durften die Mitarbeiter selbst entscheiden, wann sie wie viel Urlaub nehmen wollen. Spontan hätte so mancher Unternehmer vermutlich Angst, dass er monatelang auf seine Mitarbeiter verzichten muss. Bei Netflix ist das nicht passiert. Im Gegenteil: Im Grunde, sagt Patty McCord, sei alles gleichgeblieben – mit dem Unterschied, dass die Mitarbeiter es genießen, frei zu entscheiden.

Positiver Effekt für Unternehmen bei flexiblen Urlaubsregelungen: Die Mitarbeiter sind motivierter und erholter, weil sie genau dann Urlaub nehmen, wenn sie ihn brauchen So können sie beispielsweise in einem Jahr häufiger frei nehmen, dafür im Folgejahr mehr arbeiten. Das geht kaum, wenn die Urlaubstage festgelegt sind und beispielsweise bis zum Ende des ersten Quartals im neuen Jahr genommen werden müssen. Da Unternehmen sich zudem die mühsame Kontrolle der Arbeitszeit ersparen, gewinnen sie Ressourcen für andere Aufgaben.

3. Konzentriert: Zwei Stunden Stillarbeit täglich

Die Berliner Unternehmensberatung Confideon wählte einen anderen Weg zu besserer Work-Life-Balance: Dort bleiben zwischen 9 und 11 Uhr morgens Handys, Festnetz und E-Mail-Benachrichtigungen konsequent stumm – zwei Stunden Zeit für fokussiertes Arbeiten. Die Anregung ging von einer Mitarbeiterin aus, die bemerkte, dass sie im Home-Office deutlich produktiver war als im Büro. Die Unternehmensleitung unterstützte die Initiative, und die zweistündige Stillarbeit zahlt sich offenbar aus.

Unternehmen können daraus zweierlei lernen: Bewusste Phasen für konzentriertes, ablenkungsfreies Arbeiten können sich für alle Beteiligten lohnen und den Arbeitsalltag entspannen. In diesen Ruhephasen sollten möglichst auch störende Besuche der Kollegen am Schreibtisch unterbleiben. Und: Oft kommen die besten Ideen von den eigenen Mitarbeitern. Geschäftsführung und Personalabteilung können Work-Life-Balance-Innovationen fördern, indem sie einfach mal die Belegschaft um Ideen bitten.

4. Gemeinsam erfolgreich: Anerkennung als Ritual

Wenn Mitarbeiter einen Erfolg erzielen, bekommen das häufig nur die Teamkollegen und die direkten Vorgesetzten mit. Umgekehrt hören manche Abteilungen nur etwas vom Kunden, wenn etwas schiefläuft. Dass das auch anders geht, beweist das Holzbau-Unternehmen Säbu aus Biessenhofen im Allgäu: Kundenlob leitet die Geschäftsführerin auch an die Beschäftigten in der Fertigung weiter oder hängt eine freundliche E-Mail am schwarzen Brett auf.

Anerkennung ist ebenso wichtig für eine gute Work-Life-Balance wie flexible Arbeitszeiten oder innovative Urlaubsmodelle. Denn wenn erzielte Erfolge auch gesehen und gefeiert werden, sind die Mitarbeiter zufriedener, motivierter und weniger anfällig gegenüber Stress. Ideal ist es, wenn Unternehmen tolle Leistungen wie einen Vertragsabschluss oder ein gelungenes Projekt mit einem kleinen Ritual feiern, das zu ihnen und den Mitarbeitern passt.

Warum Work-Life-Balance für Unternehmen so wichtig ist

Es gibt gewichtige Gründe dafür, dass Unternehmen auf ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit größten Wert legen sollten. Arbeitnehmer stehen zunehmend vor der Herausforderung, das Familienleben mit dem Job unter einen Hut zu bringen. Schließlich müssen und wollen in vielen Beziehungen beide arbeiten und sich die Kinderbetreuung teilen. Das klassische Modell – er arbeitet, sie bleibt zuhause – hat längst ausgedient.

Außerdem ist vielen heutigen Arbeitnehmer ein Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben sehr wichtig, mitunter wichtiger als Geld oder ein Firmenwagen. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Generation Y, sondern auch ältere Mitarbeiter – insbesondere dann, wenn sie sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern möchten oder müssen.

Arbeitgeber profitieren, wenn sie Work-Life-Balance nach den Vorstellungen ihrer Mitarbeiter ermöglichen, auch von deren höherer Identifikation mit dem Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiger Faktor, geht es doch darum, Talente zu gewinnen und sie möglichst lange ans Unternehmen zu binden. Stimmt das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit, arbeiten die Beschäftigten zudem nicht nur besser, sondern fehlen auch seltener. Wie gut sieht allerdings diese Umsetzung konkret in Deutschland aus?

Work-Life-Balance in Deutschland

In der jüngsten OECD-Studie zur Work-Life-Balance belegt Deutschland nur den achten Platz. Spitzenreiter sind die Niederlande, gefolgt von Dänemark und Frankreich. In diesen Ländern ist das Verhältnis von durchschnittlicher wöchentlicher Arbeitszeit und Zeit für Freizeitaktivitäten am besten, außerdem arbeiten unsere Nachbarn deutlich seltener am Wochenende.

Die Lage innerhalb Deutschlands hat beispielsweise das Job-Portal Xing ausgewertet: Die Städte mit der besten Work-Life-Balance sind Karlsruhe, Stuttgart und Münster. In die Ergebnisse eingeflossen sind ca. 65.000 Arbeitgeber-Bewertungen in den 30 größten deutschen Städten. Gefragt wurde auch danach, ob Beschäftigte von zuhause aus arbeiten können, ob es flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuung gibt. Mit 3,21 bzw. 3,14 von 5 möglichen Punkten landeten Duisburg und Gelsenkirchen auf den letzten Plätzen – ausbaufähig, aber auch kein wirklich schlechtes Ergebnis.

Offenbar geht es voran in puncto Work-Life-Balance. Radikale, innovative Lösungen sind dabei nach wie vor die Ausnahme. Zu den typischen Maßnahmen zählen etwa: flexibler Überstundenausgleich, Home-Office und Elternzeitregelungen – auch für die männlichen Beschäftigten. Zudem sollen immer häufiger angebotene Sabbaticals, betriebliche Gesundheitsförderung wie zum Beispiel Sportangebote und eine unternehmenseigene Kinderbetreuung das Gleichgewicht zwischen Job und Freizeit verbessern.

Auch kleine, flexible Lösungen können viel bewegen

Unternehmen sind gut beraten, wenn sie nicht bei Einzelmaßnahmen zur Work-Life-Balance stehenbleiben. Stattdessen sollten sie das ausgewogene Verhältnis zwischen Freizeit und Arbeitszeit fest in der Unternehmenskultur – und das heißt vor allem: in der Führungskultur – verankern. Ideal ist es, wenn klare Regelungen bestehen. Doch sollten diese stets so flexibel bleiben, dass sie an die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter angepasst werden können. Das muss gar keine Revolution bedeuten. Denn oft sind schon kleine Dinge für den Einzelnen eine große Verbesserung.

Und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer liegt auch Unternehmen an Herzen – schließlich sollen Mitarbeiter bestmöglich im eigenen Betrieb gehalten werden.