Umgangssprache im Französischen: Von Anglizismen, verdrehten Silben und Jugendslang
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Berlitz
Französisch gilt als eine der schönsten Sprachen der Welt. Dank ihres zarten Klanges wird sie gemeinhin als charmant und als äußerst melodiös beschrieben. Dabei können die Franzosen auch ganz anders: gerade in der Jugendsprache wird auf eine geschliffene Ausdrucksweise nicht viel Wert gelegt. Im Gegenteil zu den deutschen Jugendlichen, die eine Vorliebe für neu geschaffene Wörter wie Swaggernaut, Alpha Kevin oder Tinderella haben, verdreht die junge französische Generation lieber Silben und flechtet mühelos arabische und englische Begriffe in ihren Redefluss ein. Klingt ziemlich abenteuerlich? Ist es auch! Aber nicht verzagen: mit ein paar Grundbegriffen und Vokabeln machen wir Sie fit für Ihren nächsten Ausflug in die französische Jugendszene. Für noch intensiveres Lernen bietet Berlitz verschiedene Französischkurse an, vom Anfänger- bis Fortgeschrittenen-Level.
Bei der französischen Jugendsprache verstehen Ausländer nur Bahnhof
Wenn Sie Französisch nur an der Schule oder der Universität gelernt haben, kann es schnell vorkommen, dass Sie nach der Ankunft in unserem Nachbarland erst einmal gar nichts verstehen. Immerhin sind Jugendliche und Studenten stetig damit beschäftigt, neue umgangssprachliche Ausdrücke zu entwickeln – und diese werden normalerweise nicht in Lehrbüchern behandelt. Um alles noch etwas zu erschweren, ist die Sprache ständig im Wandel: da ein Kernmerkmal der Jugendsprache ihre Schnelllebigkeit ist, sind diese Begriffe oft wieder verschwunden, nachdem Sie sich gerade erst an sie gewöhnt haben. Immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben kann also rasant zu Kopfschmerzen führen. Zum Glück gibt es einige Ausnahmen, bei denen die saloppen Ausdrücke den Zugang zum allgemeinen Wortschatz gefunden haben und weiterhin fleißig verwendet werden:
- la bouffe - Nahrung, Essen, Fressen
- bosser - arbeiten
- un mec - ein Kerl/Typ
- un taré - ein Verrückter
- On se capte plus tard - Wir hören später voneinander
- le taf - die Arbeit(sstelle)
Wortverkürzungen in der französischen Umgangssprache
Die meisten Wörter im Französischen sind sehr lang, beispielsweise „aujourd’hui“ (heute) oder „s’il te plaît“ (bitte). Als die Handys aufkamen, kostete jede SMS Geld – und davon haben Jugendliche und Studenten bekanntermaßen immer zu wenig. Deshalb war es wichtig, möglichst viel Text in einer einzigen Nachricht unterzubringen. Zahlreiche Wortverkürzungen waren die Lösung: so konnten alle lebenswichtigen Neuigkeiten effizient und gleichzeitig günstig mitgeteilt werden. Obwohl heutzutage Flatrates zur Norm gehören, setzen sich diese Abkürzungen weiterhin durch – statt Geld wird nun einfach Zeit, ebenfalls meist Mangelware, gespart.
mdr
- Bedeutung: mort de rire
- Übersetzung: LOL / Ich lache mich tot
d6d
- Bedeutung: décider
- Übersetzung: entscheiden
bjr
- Bedeutung: Bonjour!
- Übersetzung: Guten Tag!
stp
- Bedeutung: s'il te plaît
- Übersetzung: bitte
pk
- Bedeutung: pourquoi
- Übersetzung: warum
koi29
- Bedeutung: Quoi de neuf?
- Übersetzung: Was gibt's Neues?
cad
- Bedeutung: c'est-à-dire
- Übersetzung: das heißt
a+/@+
- Bedeutung: À plus!
- Übersetzung: Bis dann! Bis später!
Kiezdeutsch auf Französisch: Entlehnungen aus dem Englischen und dem Arabischen
Anglizismen sind auch bei deutschen Jugendlichen sehr beliebt: cool, chillen und nice sind da nur die bekanntesten Beispiele. In Frankreich sieht es ähnlich aus, wobei neben Englisch noch eine andere Sprache einen großen Einfluss ausübt: das Arabische. Der Anteil an Einwanderern aus afrikanischen Ländern wie Marokko oder Tunesien ist aufgrund der ehemaligen Kolonien sehr hoch, wobei der Einfluss besonders in Paris spürbar ist. Dadurch hat sich ein Phänomen entwickelt, was dem sogenannten Kiezdeutsch, welches dank seiner individuellen Grammatik oft zur kollektiven Schnappatmung bei Deutschlehrern führt, ähnelt: Jugendliche übernehmen arabische Vokabeln in ihren Wortschatz und vermischen sie fleißig mit französischen oder englischen Begriffen:
kiffer
- Beispiel: J’ai trop kiffé la soirée
- Herkunft: Arabisch
- Bedeutung: mögen (Ich fand den Abend total cool)
Miskine
- Beispiel: Miskine, il n'a pas un sou!
- Herkunft: Arabisch
- Bedeutung: Der / die Arme! (Der Arme hat keinen Cent in der Tasche.)
On y go!
- Herkunft: Englisch / Vermischung von "On y va!" und "Let's go!"
- Bedeutung: Los geht’s! Lasst uns gehen!
squatter
- Beispiel: Je peux squatter chez toi?
- Herkunft: Englisch "to squat"
- Bedeutung: etw. besetzen (Kann ich bei dir übernachten?)
Friendzone
- Beispiel: Il reste dans la friendzone!
- Herkunft: Englisch
- Bedeutung: Einseitige Verliebtheit; die angebetete Person erwidert die Gefühle nicht und will nur Freundschaft (Sie sind nur Freunde.)
Verlan – eine Sonderform der französischen Umgangssprache
Eine ganz andere Ausprägung in der Jugendsprache ist allerdings das Verlan, welches als eigene Sprachvariante im Arbeiter- und Migrantenmilieu in den 1950er Jahren entstand. Gemäß der Bedeutung des Wortes à l’envers (umgekehrt) werden ganze Silben und Buchstaben dabei vertauscht und führen gerade bei Französischlernern zur vollkommenen Verwirrung. Schließlich hat das Wort femme (Frau), eines der ersten Vokabeln in jedem Unterrichtsbuch, mit der Verlanform meuf auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam. In den 1990er Jahren hielt Verlan endgültig Einzug in die französische Jugendsprache, besonders da sich zu dieser Zeit viele Sänger aus der Hip-Hop- und Rapszene an dieser Sprachform bedient haben: Künstler wie MC Solaar oder der 1977 Hit Laisse béton (Verlan für laisse tomber) von Sänger Renaud sind prominente Beispiele dafür.
Einige Ausdrücke im Verlan und Ihre Bedeutung:
chelou
- Bedeutung: louche
- Übersetzung: seltsam
relou
- Bedeutung: lourd
- Übersetzung: schwer
teuf
- Bedeutung: fête
- Übersetzung: Party
sebu
- Bedeutung: bus
- Übersetzung: Bus
ouf
- Bedeutung: fou
- Übersetzung: verrückt, beeindruckend
géman
- Bedeutung: manger
- Übersetzung: essen
vénère
- Bedeutung: énervé
- Übersetzung: genervt
Das Kommen und Gehen in der Jugendsprache
Die französische Jugendsprache ist also für Nicht-Muttersprachler äußerst verwirrend, mit ihren ganz eigenen Regeln gespickt und vor allem sehr vergänglich. Zwar werden Ausprägungen wie Verlan oder bekannte arabische Vokabeln bestimmt auch in einigen Jahren noch gebräuchlich sein – andere Ausdrücke hingegen werden sang- und klanglos wieder aus dem Wortschatz der französischen Jugend verschwinden. Dieser Sprachwandel ist allerdings nicht auf Frankreich beschränkt: auch im Deutschen kann diese Entwicklung beobachten werden. Oder sagen Sie heute noch, etwas sei knorke oder dufte? Auch zahllose Bezeichnungen, wie der Tausendsassa oder die Hupfdohle, finden kaum noch Anwendung und gehören zu den bedrohten Begriffen unserer Sprache. Wenn Sie gerne mehr zu vergessenen Wörtern lesen wollen, nehmen wir Sie mit auf eine Reise durch vergangene Zeiten, vollgepackt mit Schlawinern, Vetteln und vor allem einer ordentlichen Portion Kokolores.