Mikromanagement: Wenn sich Führungskräfte verzetteln
Author
Berlitz
Fragt Ihr Chef alle zwei Stunden, wie es um Ihr aktuelles Projekt steht? Erhalten Sie bei jeder noch so kleinen Aufgabe äußerst genaue Vorgaben, wie Sie sie lösen sollen? Oder haben Sie das Bedürfnis, Ihre Mitarbeiter stark zu kontrollieren, wodurch Wichtiges immer wieder liegenbleibt? In diesen Fällen handelt es sich höchstwahrscheinlich um Mikromanagement. Im folgenden Beitrag erklären wir, woran Sie Mikromanagement erkennen, warum dieser Führungsstil für Mitarbeiter und Manager viele Nachteile mit sich bringt – und wie Unternehmen sie vermeiden können.
Mikro- vs. Makromanagement – worin sich die beiden Führungsstile unterscheiden
Wer von Mikromanagement spricht, meint damit in der Regel den Führungsstil eines Vorgesetzten, der die Arbeit seiner Mitarbeiter ständig kontrolliert, sehr detaillierte Vorgaben macht und kaum Aufgaben delegieren kann. Häufig überspringen Mikromanager dabei Hierarchieebenen, indem sie sich mit ihren Anweisungen direkt an die Angestellten wenden, die für eine bestimmte Tätigkeit zuständig sind. Mikromanager handeln ähnlich wie sogenannte Helikopter-Eltern, die ständig sorgenvoll über ihren Kindern kreisen, ihnen kaum Freiräume lassen und wenig Vertrauen schenken. Das kann die Glaubwürdigkeit einzelner Mitarbeiter oder ganzer Teams untergraben und eine Kultur der Angst und des gegenseitigen Misstrauens begünstigen.
Makromanagement hingegen orientiert sich am großen Ganzen, an der Unternehmensvision und der Strategie. Unternehmer auf einer höheren Hierarchiestufe müssen Weichen stellen, Trends im Blick behalten und auf Marktentwicklungen oder Veränderungen in der Branche reagieren. Makromanager geben ihre Entscheidungen an die Mitarbeiter weiter, die für die Umsetzung im Tagesgeschäft zuständig sind. Das entspricht dem Ideal eines kooperativen Führungsstils, der strategische Rahmenbedingungen vorgibt und Mitarbeitern die nötigen Freiräume für eigenverantwortliches Handeln im Sinne der Unternehmensziele verschafft.
Fehlende Führungskompetenz, begrenzte Eigenverantwortlichkeit – warum Mikromanagement schlecht für Unternehmen ist
Wenn Führungskräfte sich verzetteln und sich zu stark mit operativen Angelegenheiten beschäftigen, hat das gravierende Nachteile – für ihre Mitarbeiter, aber auch für sie selbst und letztlich für das gesamte Unternehmen.
Diese Art der Personalführung ist für Mitarbeiter frustrierend. Ruft der Chef einen Mitarbeiter ständig an und fragt, ob er die letzten Quartalszahlen in die Präsentation eingebaut hat, dann wird sich der Angestellte übermäßig kontrolliert fühlen. Er bekommt schnell das Gefühl, dass ihm der Chef wenig zutraut. Das wirkt sich nachteilig auf die Motivation aus und schwächt die Eigeninitiative.
Passiert das nur gelegentlich bei besonders wichtigen Projekten, ist das vielleicht ärgerlich, aber aufgrund des hohen Drucks noch nachvollziehbar. Wird Mikromanagement jedoch zur Regel, gewöhnen sich die Mitarbeiter daran, nur nach Vorschrift zu handeln. Für eigene Ideen und kreative Lösungen gibt es dann kaum noch Spielraum. Das sorgt bei den meisten Menschen für schlechte Stimmung und führt dadurch auch zu geringer Leistungsbereitschaft.
Wissenschaftler der Universitäten Köln und Zürich haben zudem herausgefunden, dass Mikromanagement sogar die Ergebnisqualität negativ beeinflusst. Das verwundert nicht, schließlich haben die Mitarbeiter in der Regel viel Erfahrung in ihrem Aufgabenbereich gesammelt. Wenn der Chef dort „hineinregiert“, läuft er Gefahr, effiziente und bewährte Arbeitsprozesse zu stören. Mikromanager neigen außerdem dazu, von ihren Mitarbeitern übermäßig oft Zwischenberichte einzufordern – mit denen alle Seiten dann ihre wertvolle Zeit verschwenden.
Auch für Führungskräfte selbst hat ein stark kontrollierender Führungsstil negative Folgen: Sie werden mit der Zeit das Gefühl haben, zwar viel zu tun, aber wenig zu schaffen. Für wichtige Entscheidungen oder strategische Überlegungen bleibt dann kaum noch Zeit. Sie fühlen sich von ihrer Arbeit überfordert und gestresst. Indem sie Wichtiges nicht von weniger Wichtigem unterscheiden, verlieren sie Zeit – Zeit, die sie für dringende Entscheidungen und ihre eigentlichen Führungsaufgaben benötigen. Mikromanager kommen häufig auch auf der Karriereleiter nicht besonders weit, da ihnen wichtige Kompetenzen in puncto Personalführung und strategische Entscheidungen fehlen – und das bleibt in der Regel nicht lange unbemerkt.
3 Tipps, um Mikromanagement im Unternehmen zu verhindern
Was können Mitarbeiter und vor allem Führungskräfte tun, um sich nicht zu verzetteln und die negativen Folgen des Klein-Kleins zu vermeiden?
1. Mikromanagement bei sich selbst erkennen
Gehören Sie auch zu den Führungskräften? Dann sind Sie sich vielleicht Ihres kontrollierenden Führungsstils gar nicht bewusst. Wenn Sie zu Mikromanagement tendieren, dann sind Sie wahrscheinlich geleitet vom Wunsch, einen guten Job zu machen. Schließlich müssen Sie selbst Rechenschaft für ihre Handlungen ablegen, woraus sich das Gefühl entwickeln kann, dass Sie besser alles selbst machen. Dies sollten Sie allerdings auf jeden Fall vermeiden. Stellen Sie sich einmal kritisch folgende Fragen und finden Sie ehrliche Antworten darauf:
- Womit beschäftige ich mich die meiste Zeit?
- Kann ich Aufgaben delegieren oder kontrolliere ich meine Mitarbeiter zu stark?
- Bin ich schwer zufriedenzustellen?
- Habe ich häufig das Gefühl, viel getan, aber wenig erledigt zu haben?
- Kommen wichtige Entscheidungen oder Strategieüberlegungen zu kurz?
2. Fehler zulassen, Eigenverantwortlichkeit stärken
Wenn Sie als Angestellter in einer führenden Position Aufgaben schlecht aus der Hand geben können, haben Sie in der Regel Angst, dass Ihren Mitarbeitern Fehler unterlaufen könnten und Sie dann die Konsequenzen dafür tragen müssen. Sie sollten sich klarmachen, dass Missgeschicke Ihr Unternehmen voranbringen können, wenn beide Seiten einen konstruktiven Umgang damit finden. Nur wenn Sie als Vorgesetzter zulassen, dass auch einmal etwas nicht auf Anhieb perfekt gelingt, werden Ihre Mitarbeiter sich zu mutigem, eigenverantwortlichem Handeln motiviert fühlen.
Damit Personen in Leitungspositionen die vielfältigen an sie gestellten Anforderungen besser meistern können, bitet Berlitz zahlreiche Seminare und Weiterbildungen im Bereich Führung und Management an.
3. Wie sich Mitarbeiter gegenüber Mikromanagern verhalten können
Ein wichtiger Schritt im Umgang mit Ihrem Mikromanager-Chef: Verstehen Sie sein Verhalten nicht als persönlichen Angriff. In den seltensten Fällen liegt die Ursache für sein Kontrollbedürfnis an Ihrer Arbeit, sondern vielmehr an dem Druck, dem er ausgesetzt ist und der ihm möglicherweise Ohnmachtsgefühle verursacht. Sinnvoll ist es, mit Ihrem Chef darüber zu sprechen. Ein Jahresgespräch ist zum Beispiel eine gute Gelegenheit dazu. Vermeiden Sie bei Ihrem Feedback jedoch unbedingt Vorwürfe. Stellen Sie die Situation stattdessen aus Ihrer Sicht dar und schildern Sie, wie Sie sich dabei fühlen. Sie werden wahrscheinlich feststellen, dass Ihrem Vorgesetzten gar nicht klar ist, wie sein Verhalten bei Ihnen ankommt. Signalisieren Sie zudem, dass Sie Verantwortung für Ihren Job übernehmen. Wenn Ihr Chef merkt, dass Sie sich intensiv Gedanken über Arbeitsprozesse machen, wird ihn das entlasten. Dadurch fällt es ihm wahrscheinlich auch leichter, Ihnen das nötige Vertrauen zu schenken.
Im Gespräch bleiben und gegenseitiges Vertrauen stärken
Mikromanagement wirkt sich im schlimmsten Fall ungünstig auf die gesamte Unternehmenskultur aus: Die Arbeitsatmosphäre ist schlecht, weil die Mitarbeiter nicht genügend motiviert sind und ihre Eigenverantwortlichkeit auf der Strecke bleibt. Dadurch bleiben Handlungsspielräume ungenutzt, eigene Anregungen und Initiativen versanden oder die Mitarbeiter äußern ihre Ideen gar nicht erst.
Klare Vereinbarungen über Arbeitsprozesse können beiden Seiten Entlastung bringen. Hilfreich ist zum Beispiel ein fester wöchentlicher oder monatlicher Termin. Führungskräfte sind so stets über Projektverläufe auf dem Laufenden und müssen nicht jeden einzelnen Schritt kontrollieren. Mitarbeiter haben die Gelegenheit, ihr Vorgehen zu erklären und können außerdem ihre Vorgesetzten kurzfristig um Rat fragen. Wichtig ist vor allem eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens. Im regelmäßigen, offenen Austausch können beide Seiten nach und nach besser schätzen lernen, was sie am jeweils anderen haben.