Interview mit Philippe Serre, Französisch-Trainer bei Berlitz in Köln
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Berlitz
„Deutsch war für mich wie eine Reise in eine andere Welt oder auf einen anderen Planeten, sehr exotisch und geheimnisvoll!“
Philippe Serre, geboren in Clermont-Ferrand, entdeckte seine Liebe zu Fremdsprachen bereits beim Deutschunterricht in der 6. Klasse und träumte seitdem von einer Reise in sein Nachbarland. Zwei Klassenfahrten dorthin, ein Sommerjob in Regensburg und eine zweiwöchige Zugreise quer durch das Land bestätigten seine Liebe zu Deutschland. Es folgten 4 Semester Germanistikstudium und ein abgeleisteter Militärdienst als Französischlehrer für Analphabeten und als Chauffeur in Baden Baden.
1992 entschied sich der nun 49-Jährige, endgültig nach Köln zu ziehen und bewarb sich als Französischlehrer bei Berlitz. Obwohl Philippe beim anfänglichen Training befürchtete, dass er nicht den besten Eindruck machte, wurde sein Potenzial erkannt. Zum Glück! Seit nunmehr 25 Jahren nimmt Philippe sowohl Kindern als auch Erwachsenen den Schrecken vor der französischen Sprache.
Wie sieht die erste Unterrichtsstunde in Französisch Level 1 bei Berlitz aus? Was wird thematisch behandelt und was können die Kursteilnehmer am Ende sagen?
Französisch ist aufgrund der Akzente sehr schwer zu schreiben, daher wird in der ersten Stunde nur gesprochen und erst einmal gar nicht gelesen.
Mir ist es wichtig, Emotionen und Körpersprache in den Unterricht zu integrieren: Schlagworte wie non, très bien, bien, un peu, pas du tout erhalten direkt die passenden Bewegungen wie Kopfschütteln, Daumen hoch oder Grinsen. Um ehrlich zu sein ist das ein bisschen wie Gitarre spielen und dabei singen, wenn geredet und gleichzeitig gestikuliert wird. Meinen deutschen Trainingsteilnehmern fällt das oft schwer, da in Deutschland wenig Körpersprache bei einem Gespräch benutzt wird. Franzosen empfinden deshalb die Deutschen oft als etwas trocken und starr, ein bisschen wie Roboter. Durch meine Unterrichtsmethode lernen meine Schüler also nicht nur Französisch, sondern werden auch lockerer, gewinnen an Humor, Überzeugungskraft und Menschlichkeit.
Was fällt Anfängern leicht und was schwer? Welche typischen Fehler werden immer wieder gemacht (insbesondere von Deutsch-Muttersprachlern)?
Besonders schwer fallen Anfängern meistens die Teilungsartikel, mit de la, du und des, da so etwas nicht im Deutschen existiert. Auch das Fragen stellen und die vielen verschiedenen Verneinungen bereiten einigen Lernern Probleme – und natürlich das Verstehen von schnell sprechenden Franzosen!
Ist es von Vorteil eine andere romanische Sprache zu sprechen oder verwirrt das nur?
Da kann ich ehrlich gesagt keinen Unterschied feststellen.
Wann stellen sich die ersten Erfolge ein? Ab wann kann ein Gespräch geführt werden?
Meistens ab Kapitel 7 oder 8, denn ab da fangen die Schüler an, meine Witze und lustigen Anekdoten zu verstehen, auch wenn ich nur Französisch rede. Und dann wird der Unterricht besonders gut, denn dann fangen sie selbst an zu spinnen und erzählen mir grinsend ihre eigenen Geschichten: Zum Beispiel dass sie in einem Schloss mit Pool und Koch wohnen, aber dass ihr Gärtner derzeit krank ist und der Chauffeur geheiratet hat.
Die Angst vor falscher Grammatik und fehlendem Vokabular tritt in den Hintergrund, die Teilnehmer legen sich nicht mehr krampfhaft alle Sätze vorher im Kopf zurecht. Der Fokus liegt auf der Kommunikation mit der Gruppe und die Sprache wird zum Hilfsmittel dafür. Ab dann ist die Atmosphäre sehr locker und wirklich alle müssen grinsen und lachen.
Was ist Ihr Tipp für alle Französisch-Lerner? Welche Hilfsmittel gibt es?
Jeder Kontakt mit der Sprache ist wichtig! Lerner sollten sich so oft wie möglich mit der französischen Sprache auseinandersetzen. Zum Beispiel bieten sich französische Lieder, sogenannte Chansons, an. Aber auch das Écoute Magazin, eine französische Sprachzeitschrift, sowie französische Blogs oder sogar Filme auf ARTE oder TV5 monde helfen weiter. Am besten ist es aber, sich möglichst viele nette „Opfer“ zu suchen und mit diesen auf Französisch zu sprechen, um die Sprache zu trainieren.
Was ist typisch Französisch? Was muss neben der Sprache noch beherrscht werden, um sich in der französischen Kultur zurechtzufinden?
Oh, typisch französisch ist definitiv, das Leben kompromisslos zu genießen! Jeder, der das anders sieht, erhält leider keine Eintrittskarte in die französische Welt.
Zugegeben, diese Überzeugung, sowieso immer das richtige zu machen, macht uns sehr intolerant gegenüber Änderungen und Vorschlägen – besonders, wenn es unser Essen, unser Trinken und unsere Traditionen betrifft. Ein typisches französisches Frühstück ist dafür ein gutes Beispiel: Deutsche werden kaum beeindruckt sein von unserer bescheidenen Mahlzeit. Allerdings wird jeder Franzose seine Essenskultur bis aufs Blut verteidigen! So würde er die Qualität des Baguettes und der Croissants betonen, von der Salzbutter aus der Bretagne und der von Oma selbstgemachten Himbeermarmelade schwärmen und sich seinen Kaffee aus der italienischen Espressomaschine nachschenken.
Auch tunken meine Jungs und ich morgens immer unsere Butterbrote in unsere bols voller Café au Lait mit einer Selbstverständlichkeit, mit der jeder fremde Beobachter vollkommen überfordert wäre.
Wenn Sie zu so einem typischen genussfreudigen Franzosen treten und ihm erzählen würden, dass Sie Ihr Schwarzbrot mit Margarine und jungem Gouda in Scheiben essen, weil da ja nichts krümelt, es so einfacher zu schmieren ist und nicht nach Stinkekäse riecht – nun, dann hätten Sie wenig Chancen mit uns Franzosen!
Wie würden Sie den typischen Franzosen in 2 Sätzen beschreiben?
Der Franzose redet gerne, um zu gefallen – und ist dabei natürlich ein kleiner Charmeur, weshalb ihn die deutschen Frauen so gerne mögen. Auch ohne Afterwork-Partys sprudeln Franzosen nur so über vor Witz und Charme. Viele Französinnen leiden in Deutschland deshalb an chronischem Aufmerksamkeitsmangel, da die deutschen Männer viel zurückhaltender sind. Auf der anderen Seite aber genießen französische Frauen in Deutschland eine höhere Lebensqualität, weil sie auch einfach seltener belästigt werden und ihre Ruhe haben können.
Gibt es eine Anekdote aus der Zeit bei Berlitz? Was sind Ihre Highlights?
Naja, ich muss natürlich betonen, dass alles, was in der Klasse erzählt wird, auch in der Klasse bleibt – da setzen wir viel Wert auf Vertrauen. Allgemein kann ich sagen, dass die kulturellen Unterschiede, die ja schon sehr auffällig sind, in meinen Klassen bereits sehr früh angesprochen werden. Und selbst nach 25 Jahren bei Berlitz in Köln habe ich immer noch das Glück, mit offenen, modernen und neugierigen Deutschen arbeiten zu dürfen. Meine Schüler haben totales Vertrauen in mich und wir profitieren alle immens voneinander.
Ein Highlight für mich sind die Uni-Gruppen, die wir in Kooperation mit der Universität Köln durchführen. Jeder Student hat im Laufe seines Studiums Anspruch auf einen Sprachkurs in Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch. Somit bekommen jedes Semester rund 200 Studenten einen Kurs von der Uni finanziert. Mit den Studenten zu arbeiten macht so viel Spaß! Sie sind immer extrem schlau, begabt und motiviert und wir kommen schnell voran, auch wenn ich dabei teilweise eine Klasse von 20 Personen unterrichte.
Vor 150 Jahren noch stand der Lehrer an der Tafel und die Schüler saßen in der Klasse und haben abgeschrieben. Das wird heute leider vielerorts immer noch genauso gehandhabt – aber nicht bei Berlitz! Ich bin der Meinung, dass die Methode und die Erfahrung der Lehrer am meisten über guten Unterricht und schnelle Lernerfolge entscheiden.
Derzeit befinde ich mich in einem Berlitz Kids&Teens Camp am Möhnesee mit insgesamt 50 Kindern, die in ihrer Ferienzeit Englisch oder Französisch lernen. Am Anfang sind natürlich die Betreuer und die Kinder gleichermaßen unsicher, weil alles neu und ungewohnt ist. Aber mit jedem Tag werden alle Teilnehmer lockerer, weil sie Erfahrungen sammeln und sich entspannen können.
Eine Fremdsprache kann nicht in 5 Minuten gelernt und auch nicht so schnell gelehrt werden. Nichtsdestotrotz sind diese ersten 5 Minuten, in denen der Kontakt zu einer neuen Sprache hergestellt wird, besonders wichtig – denn die vergisst man einfach nie.