Gamification im Beruf: Spielend Mitarbeiter motivieren
Author
Berlitz
Dass Menschen gerne spielen, ist keine neue Erkenntnis – schon 1938 prägte der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga den Begriff des Homo ludens, des spielenden Menschen. Heute, beinahe ein Jahrhundert später, gewinnt das Spielen auch im Arbeitsalltag an Bedeutung. Unternehmen interessieren sich zunehmend für die sogenannte Gamification, die Spielifizierung von Arbeitsaufgaben. Was verbirgt sich hinter diesem Konzept und wie lässt es sich im Berufsalltag sinnvoll einsetzen? Im folgenden Beitrag untersuchen wir den Trend zum Spiel und beleuchten dessen Grenzen und Möglichkeiten.
Gamification – Spiele in ursprünglich spielfremden Lebensbereichen
Da Menschen einen angeborenen Spieltrieb besitzen, ist das Phänomen „Spiel“ an sich nichts Neues. Allerdings gewinnt es durch die Digitalisierung eine neue Dynamik: 18 Millionen Menschen in Deutschlandspielen Computerspiele, 12 Millionen zocken an PlayStation, Xbox & Co., ungefähr 800.000 nutzen Mobile Games auf dem Smartphone. Die Tendenz ist steigend, schließlich wird die Zahl der Digital Natives in den nächsten Jahren weiter ansteigen – und damit auch die Zahl derjenigen Menschen, die mit Computer- und Handyspielen aufwachsen. (Vgl. Statista.com)
Mechanismen und Elemente von Computerspielen werden zunehmend auf alltägliche Tätigkeiten und Prozesse übertragen. Für diesen Trend hat sich inzwischen der Begriff Gamification eingebürgert. Das Konzept macht sich die motivierende Wirkung von Spielen zu Nutze. So können z. B. auch lästige Aufgaben und Pflichten Spaß machen, wenn sie gamifiziert, also in einen spielerischen Kontext eingebettet werden. Diese Spielifizierung, so der deutsche Begriff, findet bereits in unterschiedlichen Bereichen des Lebens statt, etwa im Gesundheitswesen oder im Bildungssektor. Auch Unternehmen setzen sie zunehmend im Arbeitsalltag ein.
Spielifizierung im Arbeitsalltag – mehr als Belohnung
In der Interaktion mit Kunden setzen Firmen schon länger spielerische Elemente ein – Rabattmarken oder Bonusmeilen sind bekannte Beispiele dafür. Solche Instrumente sollen Kundenbindung erhöhen. Sie basieren auf der sogenannten Token Economy, einem Belohnungssystem, das in der Psychiatrie bereits seit den 1960er Jahren im Einsatz ist. Für ein erwünschtes Verhalten erhält der Konsument eine bestimmte Anzahl von Tokens, also Tauschgegenstände, die er nach bestimmten Regeln später gegen Aktivitäten oder Artikel eintauschen kann: eine bestimmte Anzahl Flugmeilen gegen einen Gratis-Flug oder im Supermarkt gesammelte Marken gegen ein Topfset. Unternehmen setzen Gamification jedoch nicht nur im Marketing ein, um ein erwünschtes Kundenverhalten zu erreichen, sondern verwenden das Konzept auch, um die eigenen Mitarbeiter zu motivieren und um deren Produktivität zu fördern.
Wer dabei spontan an den „Mitarbeiter des Monats“, Bestenlisten, Abzeichen und Punktesysteme denkt, liegt damit richtig – leider. Denn dies sind in der Praxis häufig anzutreffende Beispiele dafür, was Gamification nicht sein soll. Ranglisten etwa basieren auf Wettkampf und Vergleich mit anderen und kommen daher nur bestimmten Spielertypen zugute. Diese Spielform fördert die Konkurrenz, wodurch sie auf die meisten Mitarbeiter eher abschreckend und einschüchternd wirkt.
Eintauchen statt abdriften
Erfolgversprechender sind Gamification-Konzepte, bei denen es stärker um individuelle Fortschritte der einzelnen „Spieler“ geht. Denkbar ist dies etwa bei der Einführung einer neuen Software. Nach klassischen Schulungen merken sich die Mitarbeiter lediglich ca. 20 bis 30 Prozent der Inhalte. Wenn Angestellte stattdessen auf spielerische Art mit der neuen Software interagieren, ist der Lerneffekt deutlich besser: bis zu 90 Prozent des zu vermittelnden Wissens bleibt den Lernenden im Gedächtnis. Dies liegt daran, dass die Angestellten nicht nur zuhören und zuschauen, sondern tiefer in die Simulation eintauchen und die Inhalte selbst anwenden. Mit Fortschrittsanzeigen, Missionen, Checkpoints und anderen Elementen, die aus der Computerspiele-Welt stammen, erhalten sie die notwendigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt – und lernen ohne Langeweile.
Author und Key Note Speaker Gabe Zichermann behauptet, dass Videospiele Kinder weiterbringen und mit "Gamification" Tools Unternehmen mehr erreichen.
„Recruitainment“ – spielend neue Talente entdecken?
Gamification kommt nicht nur bei bestehenden Mitarbeitern zum Einsatz, sondern wird im Personalwesen auch zum Recruiting eingesetzt. Daher spricht man auch von „Recruitainment“. So stellte beispielsweise das französische Bahnunternehmen SNCF interessierten Ingenieuren eine sehr komplexe Bewerbungsaufgabe: Die Bewerber mussten über einen Zeitraum von 6 Monaten u. a. einen Zug erschaffen, dazu Big Data nutzen und ein neues Metro-System für eine Million Reisende konzipieren. Lediglich 0,34 Prozent von 5.000 Teilnehmern meisterten alle Levels – also 17 Personen. Nur zehn davon stellte das Unternehmen schließlich ein.
In einem anderen Beispiel aus Frankreich durchlebten angehende Briefträger den Arbeitsalltag ihres angestrebten Berufes – zunächst virtuell. Ein Kriterium war dabei die Fähigkeit, früh aufzustehen. Nach Einführung des Trainingsspiels sank die Abbrecherquote von fast dreißig auf knapp zehn Prozent.
Während solche Spiele eher spezifische, arbeitsbezogene Fähigkeiten testen, gibt es Ansätze wie ConnectCubed, die generelle Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale ermitteln, etwa das Lerntempo des Bewerbers, sein Durchhaltevermögen oder seine Teamfähigkeit.
Erfolgsfaktoren für Gamification in der Arbeitswelt
Ressourcenintensive, teure Gamification-Konzepte sind für kleinere und mittlere Unternehmen nicht ohne weiteres realisierbar. Für den erfolgreichen Einsatz von Spielelementen im Arbeitsalltag eigenen sich jedoch auch einfachere Lösungen. Sollen solche Projekte gelingen, gilt es einige Grundsätze zu beachten:
Professionelle, intensive Vorbereitung
Gute Gamification-Ansätze lassen sich nicht aus dem Ärmel schütteln und gewissermaßen nebenbei erledigen. Unternehmen sollten sich genügend Vorbereitungszeit nehmen und sich von Experten beraten lassen.
Konzepte, die zur Unternehmenskultur passen
Unternehmen mit strengen Hierarchien brauchen andere Formen von Gamification als solche, in denen ein lockerer Umgangston herrscht. Manchmal hilft es, wenn die Mitarbeiter bei der Anwendung anonym bleiben können.
Kontinuierliche Motivation
Gamification ist dann erfolgreich, wenn sie es schafft, die Mitarbeiter langfristig zu motivieren – und dies gelingt am besten, wenn individuelle Fortschritte im Vordergrund stehen, nicht die Konkurrenz mit anderen. Etwas Anderes sind Team-Wettbewerbe: Diese nehmen den Erfolgsdruck vom Einzelnen und fördern die Interaktion in der jeweiligen Gruppe.
Freiwillige Teilnahme
Wenn spielen Spaß machen soll, dürfen die Teilnehmer nicht dazu gezwungen werden. Dass die Mitarbeiter freiwillig mitspielen, lässt sich am besten mit Begeisterung bewirken – und dazu ist eine gute Kommunikation erforderlich.
Wenn aus Spiel Ernst wird
Gamification ist jedoch auch im Berufsleben nicht frei von Risiken: Spiele können unter Umständen süchtig machen, sodass Mitarbeiter auch nach der Arbeit zuhause weiterspielen. Hier stehen Firmen in der Verantwortung, nicht allein auf die eigenen Produktivitätsvorteile zu schauen, sondern auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter im Blick zu behalten.
Ist die Motivation rein extrinsisch, also durch einen äußeren Reiz stimuliert, sind die Vorteile von Gamification nicht von Dauer. Systeme, die nur über Belohnung (bzw. Bestrafung) funktionieren, dürften kaum Chancen haben, die Spieler dauerhaft zu fesseln und für die Tätigkeit zu begeistern.
Fazit
Wenn die Spielifizierung des Arbeitsalltags erfolgreich sein soll, muss sie bei den Mitarbeitern eine innere (intrinsische) Motivation erzeugen, ihnen einen echten Mehrwert verschaffen. Regelmäßige, echte Herausforderungen fördern die Eigenmotivation des Spielers, während simple Punktesysteme oder die Vergabe von Abzeichen keine dauerhafte Begeisterung erzeugen können. Der Trend zur Gamification wird in Zukunft, so die Prognosen von Experten, eine immer größere Rolle spielen – und auch von Bewerbern zunehmend nachgefragt werden. Wenn Unternehmen sich rechtzeitig darauf einstellen und langfristig motivierende Lösungen finden, kann die Spielifizierung im Berufsleben ein Erfolgsrezept für mehr Produktivität sein – und für den Spaß an der Arbeit sorgen. Denn ohne diesen Spaß funktioniert Spielen nicht.