Agile Methoden: Was hinter Scrum und Kanban steckt
Author
Berlitz
Kunden-Briefing, Arbeit am Projekt, (mehr oder weniger) fristgerechte Lieferung, fertig – solches, vergleichsweise simples Projektmanagement gehört in vielen Unternehmen der Vergangenheit an. Um Kunden in möglichst kurzer Zeit hochwertige Produkte und Dienstleistungen bieten zu können, kommen inzwischen andere Methoden zum Einsatz. Scrum und Kanban sind zwei davon. Wir stellen die Grundsätze agiler Projektumsetzung vor, beleuchten die Unterschiede der Projektmanagement-Ansätze Scrum und Kanban und zeigen auf, was Unternehmen vor deren Anwendung bedenken sollten.
Agile, motivierte Teams
Der Begriff Agilität stammt ursprünglich aus der Informationstechnik. IT-Unternehmen setzen diese Methoden seit Ende der 1990er Jahre ein, um den Entwicklungs- und Programmierprozess einer Software möglichst effizient zu gestalten. Doch der agile Ansatz verbreitet sich heute zunehmend auch bei Agenturen und Unternehmen, die nicht im IT-Sektor arbeiten.
Ein wesentlicher Grund dafür: Agile Methoden verändern die Art und Weise, wie Teams zusammenarbeiten. Beim meist durchweg positiv besetzten Begriff Teamwork kommen die Schattenseiten oft zu kurz: Manche Teammitglieder verstecken sich hinter anderen, etwa aus Angst, Fehler zu machen. Andere spielen sich in den Vordergrund, reißen bestimmte Aufgaben an sich und teilen ihren Kollegen nicht mit, woran sie gerade arbeiten. Klar, dass derartige Gruppendynamiken wenig effizient und schlecht für die Motivation der Mitarbeiter sind – und in der Folge auch schlecht für das Unternehmen, wenn etwa Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
Hinzu kommt: Wer erfolgreich am Markt bestehen will, muss flexibel auf äußere Umstände reagieren können und dem steigenden Innovationsdruck gewachsen sein. Das betrifft nicht nur kleine Unternehmen, sondern zunehmend auch größere Konzern. Der Sportartikelhersteller Adidas etwa greift auf agile Methoden zurück und setzt bei den Führungskräften an. Doch was bedeutet Agilität eigentlich?
Die Grundsätze agiler Methoden
1. Kommunikation
Öfter, kürzer, effizienter miteinander sprechen statt stundenlanger Meetings – so ließe sich der agile Ansatz hinsichtlich der Kommunikation auf den Punkt bringen. Kurze Gesprächsrunden von etwa 15 Minuten – und am besten im Stehen – versprechen deutlich mehr Effizienz.
2. Offener Umgang mit Fehlern
„Aus Fehlern lernt man“ – diese alte Erkenntnis setzen agile Teams konsequent um. Fehler sollen offen kommuniziert und statt Bestrafungen Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werden.
3. Iterativer Prozess
Häufigere, kleinere Korrekturschleifen schärfen den Blick für Details und lassen Ansatzpunkte für Verbesserungen schnell erkennen. Solche Schleifen werden im Kontext agiler Methoden als „Iterationen“ bezeichnet, also regelmäßige Wiederholungen von Prozessabläufen und Zwischenkontrollen, durch die sich das Team schrittweise dem Ziel oder der Lösung nähert. Klassisches Projektmanagement würde demgegenüber ein Produkt prototypisch fertig entwickeln und sich erst dann an die Korrekturen machen. Dieses Vorgehen ist relativ unflexibel und kostet häufig nicht nur Zeit, sondern auch bares Geld.
4. Experiment statt Ziel
Klare Zielvorgaben gelten gemeinhin als Voraussetzung für effizientes Projektmanagement. Agile Methoden wie Scrum und Kanban gehen demgegenüber davon aus, dass sich insbesondere bei sehr komplexen Aufgaben nicht zu jedem Zeitpunkt konkrete Ziele beschreiben lassen. Sie betonen das Experiment – und ermöglichen dadurch überraschende Lösungen, die entstehen, weil das Innovationspotenzial der Mitarbeiter stärker zum Zuge kommen kann.
5. Wissen teilen
Das mit dem Wettkampf verbundene Geltungsbedürfnis kann bewirken, dass einzelne Mitglieder ihre Talente und ihr Wissen den anderen vorenthalten und erst einbringen, wenn sie damit in Gegenwart des Vorgesetzten auftrumpfen können. Das ist für die Performance des Teams insgesamt schlecht. Besser ist es, wenn erfahrene Kollegen anderen ihr Know-how zur Verfügung stellen, sodass letztlich alle davon profitieren.
6. Team-Tandems
Insbesondere bei Programmierern hat es sich bewährt, innerhalb eines Teams weitere kleinere Teams zu bilden, die aus zwei Personen bestehen. Die engere Zusammenarbeit in einem Team-Tandem macht es unwahrscheinlicher, dass sich einzelne Kollegen aus dem Prozess herausnehmen und die anderen die Arbeit machen lassen. Vor allem bei klar beschreibbare Teilaufgaben kann die Bildung solcher Team-Tandems sinnvoll sein.
7. Kontinuierlicher Austausch mit Kunden
Manchmal empfinden Projektteams Kundenwünsche als lästig oder ungerechtfertigt. Befinden sich beide Seiten jedoch ohnehin in ständigem Austausch, können Teams auf veränderte Kundenbedürfnisse flexibel reagieren – und die Zusammenarbeit bereitet beiden Seiten in der Regel auch mehr Vergnügen. Voraussetzung dafür ist, dass Kunden sich darauf einlassen. Die größere Effizienz und (auch finanzielle) Flexibilität, die die Methoden versprechen, sind die wichtigsten Argumente, um für das Experiment zu werben.
Zwei der am verbreitetsten agilen Methoden sind Kanban und Scrum. Was die beiden Ansätze auszeichnet, zeigen wir im Folgenden.
A. Was ist Kanban?
Toyota entwickelte den Kanban-Ansatz bereits 1947, um als Automobilhersteller eine höhere Produktivität zu erreichen. Prägend ist das sogenannte „Pull-Prinzip“, nach dem zum Beispiel Materialien in der Produktion nicht zwischengelagert werden, sondern immer genau dann dort bereitstehen, wenn und wo sie gebraucht werden. Im Idealfall sind so Material und Prozesse im Fluss („Flow“). Dieses Grundprinzip lässt sich auf andere Anwendungsfälle übertragen.
Die Mitarbeiter tragen bei dieser Methode alle Prozesse in ein sogenanntes Kanban-Board ein, eine Tafel, die in Zeilen und Spalten unterteilt ist. Die Spalten repräsentieren die einzelnen Arbeitsschritte. Jede der Aufgaben entspricht einem Ticket, das von Spalte zu Spalte wandert. Wichtig ist dabei, dass die Zahl offener Tickets an jeder Station begrenzt bleibt, damit die Teammitglieder nicht zu viele Aufgaben parallel bearbeiten. Jeder Mitarbeiter soll möglichst nur an einer Aufgabe arbeiten. Wird der kontinuierliche „Fluss“ von Spalte zu Spalte unterbrochen, werden auch die Hindernisse eingetragen, damit diese behoben werden können und die Arbeit weitergeht.
Für wen ist Kanban geeignet?
Kanban setzt nicht zwingend an der Team-Ebene an, sondern nimmt den gesamten Prozess in Blick. Insofern ist Kanban nicht allein eine Methode, mit der sich die Arbeit an einzelnen Projekten verbessern lässt. Der Ansatz ist in einem umfassenderen Sinne zu verstehen. Nämlich als Bestandteil einer Unternehmensethik, die die kontinuierliche Verbesserung anstrebt. Geeignet ist die Methode im Prinzip für alle Unternehmen oder Teams, deren Aufgaben sich in einzelne, kontinuierlich ablaufende Schritte unterteilen lassen. Insbesondere die einfache Anwendbarkeit macht die Kanban-Methoden zu einem beliebten Einstieg in eine agile Arbeitsweise.
Folgende Kanban-Tools stehen Anwendern u. a. zur Verfügung:
- Kanban Tool
- Kanbanik
- My Personal Kanban
- Trello
- Volerro
- Leankit
- Kanban Flow
B. Was ist Scrum?
Im Gegensatz zu Kanban ist die agile Methode Scrum stärker auf die Prozessoptimierung in Teams zugeschnitten. Der „Product Owner“, im Prinzip der Projektmanager, gibt dem Team das sogenannte „Product Backlog“, eine nach Prioritäten sortierte Aufgabenliste. Er ist auch dafür verantwortlich, dass diese Aufgaben Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Die Bearbeitung erfolgt in festgelegten Etappen oder Entwicklungsphasen von zwei Wochen, sogenannten „Sprints“ – entsprechend dem Grundsatz der Iteration. Mit kurzen, täglichen Meetings („Daily Scrums“) bleiben die Teammitglieder in ständigem Austausch. Dort werden auch die nächsten „Sprints“ geplant und die abgeschlossenen rückblickend bewertet, wobei der oben angesprochene offene Umgang mit Fehlern entscheidend ist. Diese Meetings organisiert der „Scrum-Master“. Das ist eher ein Projektkoordinator als ein Projektleiter im klassischen Sinne – schließlich betont Scrum die Partizipation und die Eigenverantwortlichkeit aller Teammitglieder.
Die klare Rollenverteilung sorgt, bei aller Agilität und Flexibilität, für klare Strukturen. Dies gibt vielen Teams Sicherheit. Die Wiederkehr von Meetings und Sprints erleichtert es Teams zudem, Routinen zu entwickeln.
Für wen ist Scrum geeignet?
Grundsätzlich ist Scrum als agile Arbeitsweise immer dann sinnvoll, wenn Teams an Projekten arbeiten, die
- dringend sind (z. B. auf Grund eines kurzen Zeitplans)
- neu sind (weil das Team ein neues Produkt entwickelt oder als Team eine neue Aufgabe bewältigt)
- komplex sind (für einfache Projekte mit wenigen Zwischenschritten ist es in der Regel nicht notwendig, die Methode einzuführen)
Folgende Tools stehen für Scrum u. a. zur Verfügung:
- Axosoft (nicht nur für Scrum, sondern auch für die Kombination mit Kanban)
- ScrumDo
- Jira
- Agilefant
- ScrumTime
Verantwortung abgeben, Ansätze kombinieren
Unternehmen, die den Einsatz agiler Methoden in Erwägung ziehen, sollten einen zusätzlichen Aspekt bedenken: Agilität schließt in der Regel flachere Hierarchien und eine höhere Selbstorganisation der Teams ein. Um dies erfolgreich umzusetzen, braucht es im Unternehmen Führungskräfte, die dazu bereit sind, ein Stück ihrer eigenen Verantwortung ans Team zu übertragen. Halten Manager an gewohnten Top-down-Strukturen fest, läuft dies dem Ansatz agiler Methoden zuwider.
Bei der Einführung der Ansätze ist es nicht notwendig, sich zwischen Kanban und Scrum zu entscheiden. Die beiden Methoden lassen sich durchaus kombinieren, schließlich setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte: Während Scrum eher auf die Organisation von Teams abzielt, rückt Kanban den gesamten Prozess stärker in den Vordergrund. Die Gemeinsamkeiten der beiden Ansätze bestehen vor allem in einer verbesserten Kommunikation, dem Ziel der höheren Produktivität und einer größeren Selbstorganisation der Teams.