Interview mit Rainer Ziegeler, Berlitz-Experte für Governmental Business
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Berlitz
„Ihren Anspruch auf Bildungsurlaub haben viele Arbeitnehmer nicht auf dem Schirm.“
Gute Beziehungen sind enorm wichtig im Leben. Und eine davon pflegte Rainer Ziegeler, Governmental Business Manager, mehr als 30 Jahre. Nämlich die zu seinem Arbeitgeber Berlitz. Dass ein Arbeitnehmer in einem Betrieb seine Ausbildung oder Traineezeit beginnt und dort sein ganzes Berufsleben verbringt, wird mehr und mehr zur Seltenheit. Laut einer Umfrage von Statista haben 66 Prozent der Deutschen ihren Arbeitsplatz bereits ein- bis fünfmal gewechselt.
Rainer Ziegeler scheint da eine Ausnahme zu sein. In seiner langjährigen Firmenzugehörigkeit beim Weiterbildungsanbieter Berlitz war er in verschiedenen Funktionen mit Herz und Verstand bei der Sache. Erst vor Kurzem ging er in den wohlverdienten Ruhestand. Was für ein Glück, dass wir ihm noch ein paar Fragen stellen durften: über geförderte Weiterbildung im Allgemeinen, Bildungsurlaub im Besonderen, Hamburger Labskaus, Lokalpatriotismus und die Lange Reihe in der Hansestadt Hamburg.
Herr Ziegeler, bei mehr als 30 Jahren Berufserfahrung haben Sie sicherlich auch mal Bildungsurlaub gemacht, oder?
Ob Sie es glauben oder nicht, aber nein, habe ich nicht. Ich hatte das Glück, dass immer ausreichend interne Weiterbildungen bei Berlitz angeboten wurden und ich zudem ja Anspruch auf Sprachunterricht zu Mitarbeiterkonditionen hatte. Diese Chance habe ich für meine Fremdsprachenkenntisse in den Sprachen Französisch, Spanisch und Italienisch genutzt.
Millionen Arbeitnehmer in Deutschland nutzen Bildungsurlaub nie, kennen ihre Ansprüche nicht oder haben Angst vor Ärger mit ihrem Chef. Können Sie das bestätigen?
Viele Arbeitnehmer haben das Thema einfach nicht „auf dem Schirm“. Dabei ist das Angebot heutzutage so vielfältig und praxisorientiert. Auch auf Unternehmensseite wird die Teilnahme an Bildungsurlaubskursen in Zeiten des Fachkräftemangels durchaus positiv gesehen, insbesondere wenn die dort behandelten Themen für den Berufsalltag relevant und sinnvoll sind.
Fünf Tage pro Jahr haben Arbeitnehmer in Deutschland frei für Bildungsurlaub. Gilt das für alle 16 Bundesländer oder gibt es Unterschiede?
Es gibt auf jeden Fall Unterschiede. In Bayern und Sachsen gibt es keinen Anspruch auf Bildungsurlaub. Im Saarland gibt es sechs Tage Bildungsurlaub wohingegen nur die ersten beiden Tage mit vollständiger Freistellung abgedeckt sind, ab dem dritten Tag muss die Hälfte über Eigenanteil, zum Beispiel über Urlaub oder Überstundenausgleich, durchgeführt werden. Das bedeutet bei sechs Tagen insgesamt vier Tage Freistellungsanspruch. Man sollte sich also im Vorfeld schlau machen, welche Regelungen bezüglich Bildungsurlaub für einen selbst gelten.
Warum reagieren Personalabteilungen noch immer gereizt, wenn Arbeitnehmer Bildungsurlaub in Anspruch nehmen wollen?
Früher hatte Bildungsurlaub den Ruf von "5-Tage-Extra-Urlaub" für die Arbeitnehmer. Mittlerweile hat sich die Einstellung auf Arbeitgeberseite geändert, wenn die Veranstaltung inhaltlich mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers zu tun hat und einen Mehrwert für das tägliche Doing im Job erkennbar ist.
Welche Vorteile bietet Bildungsurlaub und was bietet Berlitz hier an?
Bildungsurlaub bietet die Möglichkeit, in kompakter Form neue Kenntnisse und Kompetenzen zu erwerben, ohne eigene Freizeit opfern zu müssen. Berlitz bietet hier insbesondere einwöchige Sprachtrainings für die Sprachen Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch und Italienisch an. Alle mit Berufsbezug und alle auf den Erwerb praktischer Fertigkeiten ausgerichtet, vor allem auf das aktive Sprechen.
Gibt es neben Bildungsurlaub noch andere geförderte Weiterbildungsoptionen?
Ja, für Beschäftigte gibt es noch die Bildungsprämie mit dem Prämiengutschein und für Arbeitssuchende den Bildungsgutschein.
Wo lag der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit im Bereich Governmental Business?
Meine Hauptaufgaben in diesem Bereich waren die Konzeption von zertifizierfähigen Maßnahmen, die Schulung und Information der Mitarbeiter zu diesem Thema sowie die Überwachung der Qualität bei der Umsetzung der Trainingsmaßnahmen.
Gibt es Unterschiede von geförderter Weiterbildung für Privatpersonen und Unternehmen?
Ja, auf jeden Fall. Die Förderung von Arbeitssuchenden betrifft natürlich Privatpersonen, während die Förderung von Beschäftigten sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen gelten kann.
Was verbirgt sich hinter den Abkürzungen WeGebAu und FbW?
WeGebAU istein Förderprogramm für Personen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. FbW steht für die Förderung beruflicher Weiterbildung. Diese Förderung kann für Arbeitssuchende und Beschäftigte gelten.
Für den Bereich öffentlich geförderter Programme benötigt man Geduld und ein Verständnis für die aktuellsten Vorschriften. Können Sie das bestätigen?
Nun, es geht letztlich um die Vergabe öffentlicher Gelder. Da ist es klar und richtig, dass es Regeln und Vorschriften dazu gibt. Natürlich muss man sich hier einarbeiten und auf dem Laufenden bleiben. In der Regel helfen aber auch lokale Ansprechpartner von Arbeitsagentur und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Fragen weiter.
Welche Programme werden von Privatpersonen bei Berlitz verstärkt angefragt?
Das sind ganz klar die Sprachtrainings, wobei neben den Sprachkursen für Deutsch des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch durchaus gezielte Einzeltrainings, die durch Arbeitsagentur oder Jobcenter gefördert werden, stark nachgefragt werden.
Bei Einzeltrainings ist eine schnelle und gezielte Förderung möglich . Das ist oft die beste Lösung, zum Beispiel dann, wenn bereits ein konkretes Stellenangebot vorliegt und die Sprachkenntnisse hier eine wichtige Rolle spielen.
Worauf achten Suchende bei der Wahl des Weiterbildungsanbieters besonders?
Die Qualität des angebotenen Trainings ist wichtig. Doch auch die formalen Aspekte, wie zum Beispiel ein kurzfristiger Kursstart, spielen eine wesentliche Rolle.
Auch für Unternehmen gibt es geförderte Weiterbildungsprogramme für Mitarbeiter mit speziellem Förderbedarf. Was wird verstärkt nachgefragt?
Bei Berlitz werden von interessierten Unternehmen verstärkt Sprachtrainings nachgefragt, die den Mitarbeitern im Arbeitsalltag helfen, ihre Aufgaben kompetenter, schneller und auch leichter zu erledigen.
Sie waren mehr als 30 Jahre für Berlitz tätig. Erinnern Sie sich eigentlich noch an den ersten Tag?
Da ich damals noch an meinem Studienort Bochum lebte, habe ich als Trainee in Köln gestartet und war überrascht von der Dynamik des Geschäfts, aber auch von der Ausrichtung auf Kleingruppen und Einzelunterricht, die ja ein schnelles Lernen der Fremdsprache ermöglicht. Das kannte ich vom Bereich der öffentlichen Schulen, in dem ich zuvor tätig war, nicht.
Welche verschiedenen Bereiche haben Sie seitdem durchlaufen?
Ganz klassisch für eine Berlitz Karriere: Ich habe mit einem Trainee-Programm gestartet und später die Leitung von zwei Centern übernommen. Irgendwann folgte die Gebietsleitung im Norden und Osten als Distriktdirektor und "last but not least" die Verantwortung für die Bereiche Qualitätsmanagement und Geförderte Programme für den Norden, den Osten und Hessen. Die Teams in meinem Verantwortungsbereich dabei zu unterstützen, die Ansprüche unserer Teilnehmer un dder Behörden zu erfüllen hat mir besonders viel Spaß gemacht.
Wie würden Sie Berlitz in einem Satz beschreiben?
Ein Weiterbildungsunternehmen, das sein „Mundwerk“ versteht und das weiß, wie wichtig zufriedene externe und interne Kunden für den langfristigen Erfolg sind
Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Zeit als Manager Governmental Business an der wir teilhaben dürfen?
2016 kam ein junger syrischer Flüchtling zur Beratung in eines unserer Center. Wegen der starken Nachfrage damals musste er allerdings vier Wochen auf seinen Kursstart warten. Dennoch kam er am nächsten Tag, fand über eine Landsmann heraus, welcher Kurs sich noch im Anfängerbereich befand, ging in die Klasse und setzte sich still in eine Ecke. Dem verduzten Lehrer erklärte er über einen Übersetzer, er wolle schon einmal mit dem Lernen beginnen und würde auch nicht stören. Wir haben ihn dann schon einmal mit Lehrmaterial versorgt, so dass er zu Hause die Wartezeit bis zum Kursstart sinnvoll überbrücken konnte.
Sind Sie ein Quiddje, also ein nach Hamburg Zugereister, oder ein gebürtiger Hamburger?
Ich bin zwar echter Norddeutscher, aber da ich an der Nordseeküste im Raum Cuxhaven geboren bin, für die Hamburger eben ein Quiddje.
Die Hanseaten werden häufig mit den Adjektiven kantig, klar und ein wenig steif beschrieben: Ist das wirklich typisch hanseatisch?
Ja, das stimmt schon irgendwie, aber eine Prise trockenen Humors gehört auf jeden Fall auch dazu. Wir sind ehrliche Typen und auf angenehme Art und Weise lokalpatriotisch. Übrigens essen wir auch sehr gerne. Besonders gerne Fisch in jeder Form, Labskaus, Grünkohl, Bratkartoffeln und Rote Grütze.
Hamburg ist ein touristischer Hotspot. Gibt es eine persönliche Empfehlung von Ihnen, die nicht in jedem Reiseführer steht?
Ich weiß nicht, ob die Lange Reihe in Reiseführern erwähnt wird, aber diese Straße in Hauptbahnhofsnähe im etwas verruchten Stadtteil St. Georg ist für mich auch nach fast 30 Jahren Hamburg immer noch interessant, weil ich immer noch von den außergewöhnlichen, kleinen Geschäften fasziniert bin und auch die verschiedenen Restaurants wirklich empfehlenswert sind. Da sollte man mal gewesen sein.
Erst vor Kurzem sind Sie in den Ruhestand gegangen. Können Sie jetzt schon erahnen was Sie wohl am meisten vermissen werden?
Das kann ich jetzt natürlich noch nicht sagen, aber über 30 Jahre als „Unternehmer im Unternehmen“ mitgestalten zu können, war schon sehr reizvoll.